OTH-Lehrinnovationsprofessur 2023

Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker & Prof. Dr. Barbara Seidenstücker im Interview

 

Frau Prof. Dr. Seidenstücker, Frau Prof. Dr. Schroll-Decker, was machen Sie in Ihrer Innovationsprofessur?

Wir entwickeln die neue Einführungs-Lehrveranstaltung „Soziale Stadt: Organisationen und Leistungsträger – Einführung in die Soziale Arbeit“. Dabei wollen wir multipel einsetzbare „Learning-Nuggets“ und Videoclips mit Fachkräften der Sozialen Arbeit neu erstellen, verschiedenste moodle-plugins erproben, Lehrinhalte modularisieren, neue Prüfungsformen entwickeln und natürlich auch implementieren. Außerdem haben wir geplant, eine regelmäßige Erstsemesterbefragung zu etablieren, in der wir Motivationen, Interessen und Selbsteinschätzungen der Studierenden abfragen, um im Abgleich mit den Praxiserfordernissen mittelfristig curricular darauf reagieren zu können.

Zudem wollen wir zwei weitere, bereits bestehende Lehrveranstaltungen weiterentwickeln. Zum einen die Lehrveranstaltung „Kinder- und Jugendhilfe“: Auch hier sollen multipel einsetzbare „Learning-Nuggets“ entwickelt werden, Videoclips mit Wissenschaftler*innen und Fachkräften erstellt und moodle-plugins implementiert werden. Vor allem sollen hier aber auch kreative analoge und digitale Diskussionsformate erprobt und entwickelt werden.

In der Lehrveranstaltung „Soziale Arbeit der Lebensalter“ wird die bereits digitale Prüfungsform sukzessive weiterentwickelt und evaluiert. Darüber hinaus werden Interviews „Vom Fach“ aus verschiedenen Einrichtungen der Altenarbeit und Altenhilfe integriert, um zu zeigen, welche Bewältigungslagen sich in den verschiedenen Lebensaltern ergeben. Dazu wird auch ein Podcast erstellt. Die Palette an interaktiven Elementen zur Aneignung von Wissen wird ergänzt.

 

Wie könnten andere Lehrende, Studierende und die Praxis von Ihren Projekten profitieren?

Die Studierenden profitieren von der neuen Einführungsveranstaltung - die sie sich ausdrücklich gewünscht haben - indem sie gleich zu Beginn ihres Studiums einen umfassenden Überblick über die sehr weitreichenden Handlungsfelder, deren Arbeitsweisen und die zentralen Methoden der Sozialen Arbeit erhalten sowie erste Bekanntschaft mit ihrer künftigen Profession und den zentralen Stakeholdern machen. Da dies mit authentischen „Stimmen“ aus der Praxis geschieht und mit vielerlei Selbstlernelementen unterlegt sein wird, können sich die Studierenden auch mit dem hochschulischen Lernen vertraut machen.

In den anderen o.g. Lehrveranstaltungen, die sich beide an Studierende in höheren Semestern richten, profitieren die Studierenden ebenfalls von der Methodenvielfalt in der Lehre, die sich – insbesondere durch den Einsatz zahlreicher Video“schnipsel“ von Fachkräften, aber auch namhaften Wissenschaftler:innen - äußerst multiperspektivisch und zugleich praxisnah gestalten wird. Die Erprobung neuer Diskussionsformen soll außerdem dazu führen, dass sich mehr Studierende zu Wort melden, sich trauen, Position zu beziehen, diese zu vertreten, aber auch üben, sich in Frage stellen zu lassen.

Ansonsten hoffen wir – und das geschieht jetzt schon – dass wir, insbesondere durch die Erstellung unserer Videos, bei denen Fachkräfte und Wissenschaftler:innen zu ihrer Tätigkeit interviewt werden, den Kontakt zur sozialarbeiterischen Praxis - insb. in der Region - vertiefen. Bisher stoßen wir auf großes Interesse und sehr viel Bereitschaft und freuen uns über ungemein spannende Interviews. Was uns besonders freut ist, dass teilweise auch die Praxis die Videos für sich und ihre Selbstpräsentation nutzt. Geplant ist außerdem ein Fachtag mit regionalen Praxisvertreter:innen, an dem wir unter anderem unser Lehrkonzept vorstellen und aufschlussreiche Interviewbeiträge zeigen möchten, an dem auch interessierte Studierende teilnehmen können.

Was unsere Fakultät betrifft, so werden wir anbieten, unsere neu entwickelten Inhalte auf einer der kommenden Dozierendenkonferenzen vorzustellen. Unsere Kolleginnen und Kollegen können bei Interesse im Rahmen des kollegialen Austauschs sehr gern von unseren Erfahrungen profitieren und gegebenenfalls Ideen für sich und ihre eigenen Lehrveranstaltungen übernehmen.

 

Was hat Sie motiviert eine Lehrinnovation verwirklichen zu wollen?

Wir haben Beide Interesse an den verschiedenen Möglichkeiten des digitalen Lernens und Lehrens, das auch durch die Erfahrungen in der Corona-Zeit geweckt wurde. Dazu kam der Wunsch der Studierenden nach der neuen Lehrveranstaltung und die Idee, diese mittels neuer digitaler Wege zu gestalten - überhaupt haben wir Spaß am Ausprobieren verschiedenster Tools. Besonders hat uns aber auch die Idee mit den Fachkräfteinterviews gefallen und die damit verbundene Nähe zur aktuellen Praxis: Wir holen faktisch die Praxis und renommierte Wissenschaftler:innen, welche Studierende ansonsten nur aus der Fachliteratur kennen, in den Hörsaal. Wir werden sehen, wie die Idee bei den Studierenden ankommt.

 

Wieso ist es so wichtig, angesammeltes und erarbeitetes Wissen von Praxiserfahrenen nachhaltig weiterzugeben?

Die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit unterliegen, wie viele andere Arbeitsfelder auch, einem stetigen Wandel. Insofern ist es für die Studierenden sehr wertvoll, neben dem etablierten Standardwissen neue, aktuelle fachliche Strömungen, aber auch aktuelle Herausforderungen in Ergänzung zu den theoretischen Inhalten direkt aus der Praxis zu erfahren. Gleichzeitig ist auch der langjährige Erfahrungsschatz, über den erfahrene Fachkräfte und Expert:innen verfügen, relevant, weil auf diese Weise die Veränderungen im pädagogischen Handeln, in den Verfahrensabläufen, den rechtlichen Regelungen usw., die sich über die Jahre entwickeln, erfahrbar werden.

 

Warum ist es gerade in der Sozialen Arbeit von Vorteil, die Lehrveranstaltungen interdisziplinär, methodisch divers und digital auszurichten?

Interdisziplinarität ist selbstverständlich gerade in der Sozialen Arbeit ein zentrales Thema. Schon im Studium ist Interdisziplinarität aufgrund der verschiedenen Bezugsdisziplinen der Sozialen Arbeit fester Bestandteil des Curriculums. Dies setzt sich in der Praxis insofern fort, als viele berufliche Handlungsfelder der Sozialen Arbeit an Schnittstellen zu anderen Institutionen (Justiz, Medizin, Schule, Polizei usw.) angesiedelt sind. Interdisziplinäres Wissen ist für die Soziale Arbeit daher für die Bewältigung der sehr umfangreichen Aufgaben unerlässlich. Schon aus der Vielfalt der fachlichen Inhalte im Studium ergibt sich die Notwendigkeit einer breiten methodischen Vielfalt im Lehralltag: Natürlich gestalten wir Lehrenden ein Seminar der Gesprächsführung mit völlig anderen Lehrmethoden wie eine Vorlesung in den Psychologischen Grundlagen. Generell gehen wir davon aus, dass methodische Vielfalt in den Lehrveranstaltungen dazu beitragen kann, unterschiedliche Lerntypen anzusprechen, selbstständiges, analytisches Denken zu fördern, die Freude und das Interesse am Lernen - und insgesamt nachhaltiges Lernen - zu fördern. Selbstverständlich muss auch digitales Lernen zunächst erlernt werden, bietet sich auch insbesondere bei berufsbegleitenden Studiengängen zumindest in Form von Teilmodulen sehr gut an, weil dies den Studierenden einfach mehr zeitliche Flexibilität, die diesen Studierenden oft besonders wichtig ist, verschafft. 

Übrigens spielt Digitalisierung seit Jahren auch in der Praxis der Sozialen Arbeit eine herausragende Rolle, z.B. in Form von digitaler Aktenführung, digitaler Beratung, Chatbots, digitaler Streetwork usw. - von daher wird digitales Wissen dringend benötigt.

 

Die Lehrinnovationsprofessorinnen Prof. Dr. Schroll-Decker und Prof. Dr. Seidenstücker stellen in diesem Video ihre Arbeit im Bereich Berufsfeldorientierung in der Studieneingangsphase des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit vor.