OTH-Lehrinnovationsprofessur 2023

Prof. Dr. Florian Nützel im Interview

 

Herr Prof. Dr. Nützel, was machen Sie in Ihrer Innovationsprofessur?

Ziel der Lehrinnovationsprofessur ist es, ein Lehrkonzept zu erarbeiten, dass das Wissen und die Anwendung des Digitalen Zwilling im Maschinenbau in die Lehre integriert.
Zentrale Fragen sind dabei:

  • Wie baue ich eines Digitalen Zwillings sinnvoll auf?
  • Wie verwende ich den Digitalen Zwillings zum Lösen von Entwicklungsaufgaben?
  • Welche Vor- und Nachteile gibt es und wo liegen die Grenzen von Digitalen Zwillingen?

Wie könnten andere Lehrende, Studierende und Forschende (der OTH) von Ihrem Projekt profitieren?

Digitale Zwillinge werden nicht allein im Maschinenbau, wie z. B. bei der Entwicklung von Windenergieanlagen, genutzt. Sie können auch zur Analyse und Optimierung des Verkehrs in der Stadt, bei der Steuerung globaler Lieferketten oder bei der Planung von Operationen in der Medizin helfen. Die in der Lehrinnovationsprofessur gesammelten Erkenntnisse können im Ansatz auch auf andere Disziplinen angewandt werden, indem Erfahrungswerte zur Verfügung gestellt werden und der gegenseitige Austausch, z. B. in Form von Netzwerktreffen und Ringvorlesungen, stattfindet. Die Inhalte der Lehrinnovationsprofessur sollen auch nach Ablauf weitergeführt werden.

Was hat Sie motiviert eine Lehrinnovation verwirklichen zu wollen?

Digitaler Zwillinge sind in Forschung und Industrie gerade sehr angesagt und werden scheinbar überall und in jeder Form eingesetzt. Deshalb finde ich es wichtig, dass unsere Studierenden in die Lage sind, digitale Zwillinge für Fragestellungen in der Produktentwicklung selbstständigen und verantwortlichen entwickeln und anwenden zu können. Dazu möchte ich technische Fragestellungen zum Digitalen Zwilling an der Fakultät Maschinenbau praxisnah, detailliert und über einen längeren Zeitraum als nur ein Semester vermitteln. Entscheidend ist die inhaltliche Verknüpfung unterschiedlicher Lehrveranstaltungen, um einen ganzheitlichen Blick auf den Digitalen Zwilling zu erhalten und die Dinge besser verinnerlichen zu können. Genau hier möchte ich mein Wissen an die Studierenden weitergeben.

Warum ist die Arbeit mit digitalen Zwillingen im Maschinen- und Anlagenbau so wichtig?

Ein maßgeblicher Baustein der Digitalisierung bei der Entwicklung neuer Produkte im Maschinen- und Anlagenbau ist die Verwendung digitaler Zwillinge. Digitale Zwillinge sind virtuelle Modelle von realen Objekten, die in Echtzeit Daten erfassen, speichern und verarbeiten. Sie ermöglichen virtuelle Prototypen, prädiktive Instandhaltung, Optimierung von Betriebsabläufen, Simulationen sowie die Optimierung von Produktlebenszyklen im Maschinenbau. Konkrete Fragestellungen können z. B. lauten: Wie kann ein digitaler Zwilling die Leistungsfähigkeit eines Pedelec-Antriebs verbessern und dazu beitragen, Werkstoffe effizient einzusetzen und Ressourcen zu schonen? Was bedeutet Predictive Maintenance und wie kann vorhergesagt werden, wie lange die neue Waschmaschine halten wird?

Inwiefern können mit dem Studiengang „Digital Engineering“ die neuen Anforderungen in Industrie und Wirtschaft aufgegriffen werden?

Produktentwicklungszeiten in der Industrie werden immer stärker beschleunigt, um innovative Produkte schnell verfügbar zu machen. Weiterhin sind Digitale Zwillinge Teil vieler Disziplinen im Maschinenbaustudium und umfassen i. d. R. mehr als nur ein einzelnes Fachgebiet – Mechanik, Elektronik, Software. Dabei spielt der Digitale Zwilling eine entscheidende Rolle, weil sein Einsatz die Entwicklungszeit verkürzen und dabei unterschiedlichen Fachgebiete abbilden kann. Der Einsatz und Umgang mit digitalen Zwillingen muss deshalb ein entscheidender Teil des Studiums Maschinenbau sein. Dies kann erreicht werden, wenn die Inhalte verschiedener Module sinnvoll miteinander vernetzt werden. Die Studierenden erlernen den Umgang mit professioneller Software und nutzen diese zum Aufbau eines digitalen Zwillings. Sie werden befähigt, sowohl Werkzeuge und Methoden für eine Einzeldisziplin (Detailed Engineering) zu nutzen, als auch andererseits für Gesamtsysteme und deren Wechselwirkung (Systems Engineering) anzuwenden. Den daraus entstehenden Mehrwert an Systemverständnis setzen sie gezielt für Ihre Fragestellungen ein.

Wie wird der digitale Zwilling in die Lehre integriert?

Der digitale Zwilling wird dazu anhand eines konkreten Produkts, z. B. anhand eines Fahrrads, entwickelt und mit jedem Modul im Studium weiter aufgebaut, bis die gesamte Kette der Produktentwicklung – von der Idee bis zur Fertigung - abgebildet ist. Die gewählte Vorgehensweise spiegelt aktuelle Forschungs- und Entwicklungsaufgaben wider. Weiterhin werden die Module durch digitale Lehrinhalte und Beispiele mit hohem Anwendungsbezug miteinander verknüpft.