Wenn der bayerische Finanzminister, ein Stiftungspräsident und der Präsident der OTH Regensburg zu einer Feierstunde in der Firmenzentrale der Gollwitzer.family in Floß zusammenkommen, sagt das viel über die Innovationskraft Oberpfälzer Mittelständler aus.
Im Konferenzsaal „Weitblick“ überreichte Staatsminister Albert Füracker einen Förderbescheid, der Startschuss ist für ein Forschungsprojekt, das den Spezialtiefbau in Deutschland nachhaltig verändern kann. Eine Allianz mit dem Potenzial, Forschung und Praxis zu einem Erfolgsmodell zu verschmelzen.
„Entscheidend ist, dass unsere Unternehmen Hochschulwissen nutzen und umgekehrt Unternehmensgeist in die Hochschulen kommt. Es nutzt uns nämlich alles nichts, wenn wir etwas erfinden und andere in den USA und in China machen das Geschäft“, sagte Finanzminister Albert Füracker
Ein Meilenstein für die Bauzukunft
Seniorchef Harald Gollwitzer skizziert die Ausgangslage für diesen „Meilenstein für unsere Firma und für mich“. Forschung und Entwicklung, sagt er, sind im deutschen Baugewerbe eine rare Spezies. Gerade einmal 0,71 Prozent beträgt der F&E-Anteil der Branche am Gesamtvolumen. Dass ein Familienbetrieb aus Floß gemeinsam mit der OTH Regensburg ein Hightech-Verfahren zur Stahlrückgewinnung per elektrischem Strom erforscht, ist ein Lehrbuch-Beispiel, wie Technologietransfer gelingen kann.
Gollwitzer betont, dass sich mit dieser Hochschul-Kooperation auch ein biografischer Kreis schließt: „Vor 40 Jahren war ich selbst Student an der OTH Regensburg.“ Dass seine Alma Mater jetzt Partner seines Unternehmens wurde, ist auch ganz im Sinn von OTH-Professor Thomas Neidhart: „Es freut mich besonders, dass wir die TU Graz ausgestochen haben und nun Partner des Familienunternehmens sind.“ Zumal laut Gollwitzer die Hochschule in der Steiermark auf diesem Gebiet eine herausragende Expertise habe.
Wie Strom den Beton löst
Worum geht es bei „WiSeS“ eigentlich? Der Minister bringt es auf den Punkt: „Das Projekt WiSeS schreibt ein neues Kapitel in der bayerischen Bau- und Forschungsgeschichte: Hier wird eine innovative Methode entwickelt, mit der massive Stahlbauteile aus temporären Tiefbauwerken mithilfe elektrischer Ströme zurückgewonnen werden können – ein bedeutender Schritt hin zu nachhaltiger Ressourcennutzung.“ Dabei würden sich die Innovationskraft der OTH Regensburg und die langjährige Erfahrung und Fachkompetenz des Familienunternehmens perfekt ergänzen.
Dr. Dr. h.c. Arndt Bode, Präsident der Bayerischen Transformations- und Forschungsstiftung, ordnet das Projekt WiSeS in eine lange Linie erfolgreicher Technologietransfers ein und fördert dieses mit bis zu 359.500 Euro. Seit 1990 hat die Stiftung 1097 Forschungsprojekte mit insgesamt 665 Millionen Euro gefördert, gemeinsam mit den Eigenmitteln der Unternehmen wurden daraus 1,4 Milliarden Euro Innovationsvolumen. Projekte wie WiSeS zeigen aus seiner Sicht, dass Transformation nicht nur in den Ballungszentren stattfindet, sondern besonders auch in Regionen wie der Oberpfalz, wo Hochschulen und Mittelstand eng zusammenarbeiten.
Von der Baugrube zum Leuchtturm
Prof. Dr. Ralph Schneider, Präsident der OTH Regensburg, beschreibt die gemeinsame Strategie: „Forschung entfaltet ihren Wert erst, wenn sie ihren Beitrag leistet, Ergebnisse in die Praxis zu bringen.“ Genau das sei der Kern des Projekts: Praxisnähe, Ressourceneffizienz, Wiederverwendung. Schneider spricht von einem „Leuchtturmprojekt“, das beispielhaft zeige, wie man Stahlteile aus Baugruben zurück in den Kreislauf holt – und damit CO₂ spart. Bauunternehmer Gollwitzer rechnet vor, dass er mit bis zu 60 Prozent Einsparung rechnet.
Die Präsentation von Professor Dr.-Ing.. Thomas Neidhart, der mit seinem Team um Michael Ried und Louis Zrenner seit Jahren zu elektrokinetischen Prozessen an der OTH Regensburg forscht, zeigt den technischen Approach: Auf großen Baustellen braucht man temporäre Stahlkonstruktionen – Stützen, Träger, Spundwände – die nach Aushärtung des Betons oft kaum oder gar nicht zerstörungsfrei zurückgewonnen werden können. Der Beton verzahnt sich mit dem Stahl, bildet einen Haftverbund, der selbst mit massiver Kraft kaum lösbar ist.
So gibt der Beton den Stahl wieder frei
Die Idee des Projekts: Mit elektrischen Strömen die Bindung von Stahl und Beton gezielt schwächen. Die Versuchsreihen zeigen drei elektrokinetischen Effekte:
- Elektroosmose: Elektrische Ladung bewegt Wasser in feinen Kapillaren. Es entsteht ein Wasserfilm zwischen Beton und Stahl.
- Elektrophorese: Ionen wandern unter Spannung, Strukturen im Zementstein verändern sich.
- Elektrolyse: Wasser zerfällt in Gas, der Gasdruck löst den Verbund zusätzlich.
Die messbaren Ergebnisse:
- Das Scherversagen wird um bis zu 88 Prozent reduziert
- Der Haftzugwiderstand sinkt signifikant
- Die Beton-Stahl-Verbindung wird temporär „entkoppelt“
Kurz gesagt: Der Beton lässt den Stahl freiwillig los.


