Lehre

Neu: Lehrinnovationsprofessuren an der OTH Regensburg

Neue didaktische Konzepte entwickeln, erproben und wissenschaftlich begleiten: Die OTH Regensburg hat erstmals Lehrinnovationsprofessuren vergeben.

„Unseren Studierenden qualitativ hochwertige und innovative Lehrangebote zu bieten, das steht für uns an der OTH Regensburg im Mittelpunkt“, sagt Vizepräsidentin Prof. Dr. Birgit Rösel. Daher hat die Hochschule im Wintersemester 2022/2023 erstmals Lehrinnovationsprofessuren ausgeschrieben und vergeben. Das Ziel: Neue didaktische Konzepte entwickeln, erproben und wissenschaftlich begleiten.

Digitale soziale Stadt, Gründungsförderung in der Medizintechnik, Aufbau von Zukunftskompetenzen für die Arbeitswelt von morgen oder generell die Weiterentwicklung des Lehrangebots im Bereich Digitalisierung: Die ersten sechs Lehrinnovationsprofessuren (LIP) sind vielseitig und vielversprechend gleichermaßen. „Ich habe bayernweit positive Resonanz gehört“, sagte Vizepräsidentin Rösel bei der Präsentation der ausgewählten Projekte in der Veranstaltung „InnovativeLehre@OTH“.

Lehrinnovationsprofessuren sind quasi das Pendant zu Forschungsprofessuren: Professorinnen und Professoren haben drei Jahre lang Zeit, ihre Ideen für neue Lehrformate zu konkretisieren und auszuprobieren – und das bei deutlich reduziertem Lehrdeputat. Lehrkräfte für besondere Aufgaben oder auch Lehrbeauftragte übernehmen in dieser Zeit die Lehre der Inhaber*innen der LIP. Möglich macht das laut Rösel eine großzügige Förderung durch das BMBF-geförderte Projekt „Zukunft akademisches Personal“ (ZAP.OTHR). „Wir haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch an diese Lehrinnovationen“, so die Vizepräsidentin. Ein Kriterium ist: Die Ergebnisse sollen auch nach Ablauf der Lehrinnovationsprofessuren noch sichtbar sein.

Die ersten Lehrinnovationsprofessuren an der OTH Regensburg im Überblick:

Prof. Dr. Barbara Seidenstücker und Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker, Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften: „Soziale Arbeit entlang der Lebensalter: innovative (digitale) Wege für Lehre und Praxis.“

Die Professorinnen wollen ihre jeweiligen Fachgebiete (Kinder- und Jugendhilfe sowie Sozialmanagement und Bildungsarbeit) in neuen Lehrveranstaltungen verknüpfen und dabei konkrete Wünsche der Studierenden zur Lehre berücksichtigen. Eine digitale soziale Stadt zeigt zahlreiche Einrichtungen – von der Kita bis zum Seniorenheim, von der Polizei bis zum Jobcenter, vom Mehrgenerationenhaus bis zum Familiengericht. Zu allen diesen Einrichtungen wird Wissenswertes digital hinterlegt.

Weiterer zentraler Baustein sind Video-Interviews mit teils bundesweit anerkannten Expert*innen aus Praxis, Forschung, Politik oder Justiz zu Best Practice-Beispielen oder fachlichen und fachpolitischen Kontroversen. Aus den Videos sollen Lern-Nuggets entstehen. Seidenstücker und Schroll-Decker wollen zudem u.a. mit digitalen Akten, Austauschforen, Quizzen, Dialog- und Flashcards arbeiten. Auch neue Prüfungsformen und Fachveranstaltungen sollen entstehen.

Prof. Dr. Max Singh, Fakultät Maschinenbau: „Lehrkonzept für innovative Lehre im Bereich Medizintechnik-Entrepreneurship.“

Technologie für die Gesundheit in die Gesellschaft tragen: Prof. Singh lehrt seit dem Sommersemester 2021 an der OTH Regensburg. Er hat in dieser Zeit speziell im Fachbereich Medizintechnik viele Studierende mit guten Ideen für Medizinprodukte getroffen. „Aber die schauen mich mit großen Augen an, wenn ich sie frage, ob sie schon überlegt hätten mit ihrer Idee in den Markt zu gehen“, berichtet Singh. Das sei nachvollziehbar: Zum einen seien die regulatorischen Hürden für Medizinprodukte hoch. Zum anderen sei es bislang im Fachbereich Medizintechnik nicht Bestandteil des Curriculums zu lernen, wie das funktioniert: Mit einer Idee in den Markt gehen.

Das will Prof. Singh ändern: „In den Semesterarbeiten entstehen hoch interessante Prototypen, die auch patentierwürdig sind. Sie landen bislang in Schubladen oder Vitrinen – und das tut mir persönlich weh.“ Zugleich ist Singh überzeugt: „Durch ein entsprechendes Angebot an Lehre und Didaktik wird sich die Quote gründungswilliger Studierender signifikant erhöhen.“ Bewusstsein schaffen, Begeisterung unterstützen, Ausarbeitung einer Gründeridee in der Abschlussarbeit bis hin zum Bauen und Testen von Prototypen: Das will Prof. Singh mit seinem Konzept für eine spezifische Entrepreneurship-Ausbildung im Studiengang Biomedical Engineering an der Fakultät Maschinenbau möglich machen.

Prof. Dr. Julia Hartmann, Fakultät Angewandte Natur- und Kulturwissenschaften:  „Developing future competencies by combining case-based learning, knowledge nuggets and gamification.“

Die Herausforderungen von Digitalisierung, Klimawandel oder COVID-19-Pandemie zeigen es: Die Studierenden von heute brauchen in der Arbeitswelt von morgen neue Kompetenzen – Zukunftskompetenzen. Prof. Dr. Julia Hartmann beschäftigt sich mit Arbeits- und Organisationspsychologie und ist sich sicher: Die Komplexität des Arbeitshandelns wird größer. Vor allem im Bereich der Wissens- und Projektarbeit würden simultan mehrere Kompetenzen gebraucht, die sich untereinander bedingen und beeinflussen. Gleichzeitig werde die Halbwertszeit von Wissen immer kürzer, das lebenslange Lernen gewinne so weiter an Bedeutung. Hartmann betrachtet es daher als „Aufgabe von uns Hochschullehrenden an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, zum einen Fachwissen zu vermitteln, zum anderen aber auch die (Weiter-)Entwicklung der Zukunftskompetenzen zu fördern, um die Handlungsfähigkeit unserer Studierenden für die Arbeitswelt von morgen zu unterstützen“.

Studien zeigen: Menschen lernen am besten und am nachhaltigsten, wenn sie sich die Inhalte selbst erschließen können, wenn Bezüge zur individuellen Lebenswelt gewährleistet werden oder wenn sie erworbenes Wissen direkt anwenden können. Daran orientiert will Prof. Hartmann ihr Konzept entwickeln. Knowledge Nuggets vermitteln den theoretischen Hintergrund. Die Studierenden sollen ihr so erworbenes Wissen auf Fallbeispiele anwenden und Aufgaben nach und nach in Kleingruppen lösen. Das kann auch spielerisch passieren – Stichwort Gamification – wenn etwa ein Quiz zum Thema der vorherigen Stunde gelöst werden muss; auch dafür gibt‘s Punkte, die über das gesamte Semester addiert werden.

Prof. Dr. Martin Pohl, Fakultät Informatik und Mathematik: „Verbesserung der Begleitung der Studierenden in der Eingangsphase Mathematik.“

Prof. Pohl ist ein erfahrener Hochschullehrer, der sich regelmäßig fortbildet, der Vorträge und Workshops über aktivierende Lehrmethoden anbietet und seine Erfahrungen gerne mit Kolleginnen und Kollegen teilt. Und: Prof. Pohl ist ein selbstkritischer Hochschullehrer, der seine Arbeit stetig reflektiert. Seit dem Erwerb des Zertifikats Hochschullehre (Profistufe) setzt Pohl die aktivierenden Lehrmethoden Just-in-Time-Teaching (JiTT) und Peer-Instruction (PI) ein. Dazu sagt er offen: „Die regelmäßigen Umfragen zu den von mir eingesetzten Lehrmethoden haben ergeben, dass mein Skriptum als Basistext zum Selbststudium nicht geeignet ist.“ Das soll sich ändern.

Zudem hat Pohl festgestellt, dass Studierende zu Beginn ihres Studiums Probleme mit der mathematischen Arbeitsweise an Hochschulen haben und ihren Lernfortschritt oft falsch einschätzen. „Ich bin überzeugt davon, dass sich diese Probleme dadurch angehen lassen, dass die Inhalte in der Lehrveranstaltung ‚Vom Konkreten zum Abstrakten‘ erschlossen werden. Ich möchte die Studierenden anhand einfacher Aufgaben im Skriptum einladen, diesen Weg zu gehen“, so Pohl. Für ihn ist klar: „Die Hochschulen müssen die Studierenden besser unterstützen.“ Er will Selbstlernkompetenz und Selbstverantwortung der Studierenden fördern, sie ermuntern, Mathematik selbst zu entdecken, statt vorgesetzte Aufgaben zu lösen. Der Professor spricht von „forschendem Lernen“, das in der geplanten Lehrveranstaltung „Mathematik Lernen lernen“ eingesetzt werden soll.

Prof. Dr. Heiko Unold, Fakultät Elektro- und Informationstechnik: „Entwicklung und Evaluation eines neuartigen Lehrkonzepts zur Förderung vernetzter praktischer Kompetenzen auf Basis eines persönlichen Experimentiersets.“

Prof. Dr. Heiko Unold und die Fakultät Elektro- und Informationstechnik haben im Sommersemester 2022 Studierende des Bachelor-Studiengangs Intelligent Systems Engineering (ISE) mit der Analog Discovery 2-Box und zahlreichen Komponenten für Aufbau und Test elektronischer Schaltungen ausgestattet. Es ist quasi ein Labor für die Hosentasche mit allen wesentlichen Komponenten des Arbeitsplatzes von typischen ISE-Ingenieur*innen, das die Studierenden erst nach Ende ihres Studiums an die Fakultät zurückgeben müssen. Sie sollen durch die persönliche Experimentierausrüstung in die Lage versetzt werden, theoretisch gelernte technische Zusammenhänge durch individuelle Experimente zu begreifen und zu vertiefen. Prof. Unold ist „hoch begeistert von diesem Set“. Allerdings sei die Arbeit mit der Analog Discovery 2-Box bislang für Studierende und Lehrende freiwillig – und daher ist trotz zahlreicher positiver Rückmeldungen für ihren Einsatz noch Luft nach oben.

Allein im Studiengang ISE gibt es Unold zufolge etwa elf Pflichtmodule, in denen das AD2-Set eingesetzt werden kann, um Lehrinhalte praktisch zu vertiefen. Die Lehrinnovationsprofessur sei das ideale Instrument, die effiziente Nutzung der Hardware in möglichst vielen Modulen voranzutreiben. Es sollen innovative Methoden und Anreize entwickelt werden, um die praktischen Aufgaben attraktiv zu machen und darüber verschiedenste Fächer zu vernetzen. Langfristig sei das Projekt auf alle Bachelor-Studiengänge der Fakultät Elektro- und Informationstechnik übertragbar. Ein wichtiges Ziel ist es, Studierende zu befähigen, über einzelne Module hinaus vernetzt zu denken.

Prof. Dr. Markus Heckner, Fakultät Informatik und Mathematik, und Prof. Dr. Ulrike Plach, Fakultät Betriebswirtschaft: „Weiterentwicklung des Lehrangebots der OTH Regensburg im Bereich Digitalisierung.“

Seit dem Jahr 2020 arbeitet die Regensburg School of Digital Sciences (RSDS) daran, Digitalisierung als interdisziplinäres Thema in allen Studiengängen der OTH Regensburg zu verankern. Bisherige Lehrangebote wie das Zusatzstudium Digital Skills, das stark nachgefragt wird, basieren auf der Expertise der RSDS-Professor*innen. Zudem wurden bestehende Vorlesungen anderer Professor*innen für die RSDS geöffnet. Mit Erfolg: Das Feedback der Studierenden zu Angeboten der RSDS ist sehr positiv.

Unklar ist aktuell jedoch noch, welche neuen Module sich Studierende unterschiedlicher Fakultäten im Bereich der Digitalisierung wünschen. Diese „verdeckten Bedarfe“, die sich aus den Anforderungen einer digitalisierten Arbeitswelt von morgen ergeben, wollen Heckner und Plach im Rahmen der Lehrinnovationprofessur in Workshops und offenen Diskussionsrunden mit Studierenden identifizieren. Die RSDS-Beauftragten der Fakultäten sollen eingebunden werden. Am Ende steht die Entwicklung neuer interdisziplinärer Kurse. Die Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“ fördert das bestehende Zusatzstudium „Digital Skills“ mit 650.000 Euro. Diese Förderung läuft zum Sommersemester 2024 aus. Die Lehrinnovationsprofessur soll daher auch dafür genutzt werden, das Zusatzstudium „Digital Skills“ weiterzuentwickeln und zu verstetigen. Bei der Neukonzeption wollen Heckner und Plach auf die Expertise der Servicestelle Lehre und Didaktik zurückgreifen.

Weitere Lehrinnovationsprofessuren folgen

Bei den nun vergebenen sechs Lehrinnovationsprofessuren wird es nicht bleiben. Vizepräsidentin Rösel informierte, dass im Sommersemester 2023 sowie im Wintersemester 2023/2024 jeweils fünf weitere Lehrinnovationsprofessuren ausgeschrieben werden. Möglich ist das dank der Unterstützung aus dem Projekt „Zukunft akademisches Personal“ (ZAP.OTHR).

Eine Aufzeichnung der Veranstaltung „InnovativeLehre@OTH“ ist für Angehörige der OTH Regensburg hier online abrufbar (VIMP-Login erfoderlich).

Sie übernehmen die ersten Lehrinnovationsprofessuren an der OTH Regensburg (v.li.): Prof. Dr. Ulrike Plach, Prof. Dr. Max Singh, Prof. Dr. Markus Heckner, Prof. Dr. Barbara Seidenstücker, Prof. Dr. Martin Pohl, Prof. Dr. Heiko Unold und Prof. Dr. Julia Hartmann. Es fehlt Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker. Foto: OTH Regensburg/Torsten Pajonk
Sie übernehmen die ersten Lehrinnovationsprofessuren an der OTH Regensburg (v.li.): Prof. Dr. Ulrike Plach, Prof. Dr. Max Singh, Prof. Dr. Markus Heckner, Prof. Dr. Barbara Seidenstücker, Prof. Dr. Martin Pohl, Prof. Dr. Heiko Unold und Prof. Dr. Julia Hartmann. Es fehlt Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker. Foto: OTH Regensburg/Torsten Pajonk
Zukunftskompetenzen vermitteln: Wie das gelingen kann, erläuterte Prof. Dr. Julia Hartmann in ihrem Vortrag. Screenshot: Servicestelle Lehre und Didaktik
Zukunftskompetenzen vermitteln: Wie das gelingen kann, erläuterte Prof. Dr. Julia Hartmann in ihrem Vortrag. Screenshot: Servicestelle Lehre und Didaktik
Bei der Best Practice-Veranstaltung InnovativeLehre@OTH-Regensburg wurden die Lehrinnovationsprofessuren vorgestellt.
Bei der Best Practice-Veranstaltung InnovativeLehre@OTH-Regensburg wurden die Lehrinnovationsprofessuren vorgestellt. Foto: OTH Regensburg/Torsten Pajonk