Die Studentin der Sozialen Arbeit im zweiten Semester an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg), Mareike Peters, hat schon einige Jahre Erfahrung im Bereich Selbstverteidigung. Sie war aber zu Semesterbeginn trotzdem unsicher, ob dieser Wahlkurs der richtige für sie ist.
Im Gespräch mit der Dozentin, Sozialpädagogin und Kung-Fu-Meisterin Angelika Schimchen, konnte jedoch schnell geklärt werden, dass weder besondere didaktische Umstellungen noch größere Veränderungen bei der Leistungsbeurteilung nötig sind. „Kung-Fu ist immer an die individuellen Möglichkeiten des Einzelnen angepasst“, betont Angelika Schimchen. „Bei den Körperübungen und der abschließenden Benotung gab es für die Studentin lediglich minimale Veränderungen“.
Mareike Peters kann beispielsweise keinen „Fuß-Kick“ ausführen. Als Äquivalent für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer wurde eine Art „Low-Kick“ mit der Fußleiste des Rollstuhls eingeübt. „Ich bin etwas Besonderes, aber ich werde nicht besonders behandelt. Es geht darum, dass andere von der Besonderheit wissen, diese aber nicht im Vordergrund steht“, sagt Mareike Peters.
Selbstbewusstsein und Selbstbehauptung
Im Mittelpunkt des Kurses „Einführung in die Kampfkunst“ steht nicht die perfekte Bewegung, sondern die Körperwahrnehmung, die Ausstrahlung und die innere Kraft. In einem Einführungskurs können keine umfassenden Kenntnisse vermittelt, sondern lediglich das Interesse für den Bereich „Körperarbeit“ geweckt werden, betont die Lehrbeauftragte Angelika Schimchen. Es geht für die künftigen Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen vor allem auch um eine achtsame Grundhaltung.
Studentin Mareike Peters sieht Einsatzmöglichkeiten für ihr späteres Berufsfeld. „Ich werde keine Anleitung zu Selbstverteidigung geben können, aber ich kann vermitteln, wie wichtig es für alle Menschen ist, sich seines Körpers bewusst zu sein.“ Es geht um „Selbstbewusstsein und Selbstbehauptung“. Das Motto der Studentin lautet: „Alles ist möglich, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.“
Minimale Abweichung bei der Leistungsbeurteilung
Am Ende des Kurses „Einführung in die Kampfkunst“ steht eine schriftliche Reflexion „Transfer in die Soziale Arbeit“ sowie ein „praktischer Leistungsnachweis“ in Einzel- und Partnerübungen. Angelika Schimchen, die auch Schiedsrichterin bei Kampfkunst-Wettkämpfen ist, hat ein einheitliches Bewertungsschema, das für Mareike Peters lediglich geringfügig modifiziert wurde.
Die Studentin wird nicht in der Kategorie „Stände und Übergänge“ geprüft, sondern es wird beurteilt, wie kreativ sie die Elemente der Kampfkunst für ihre spezifische Situation umsetzen kann. Alle anderen Prüfungsteile wie beispielsweise „Energie/Kraft“ oder „Augen/Atmung“ sind für alle Studierenden gleich. Studentin Mareike Peters fühlt sich „fair beurteilt“ – anders als im schulischen Sportunterricht: „Die anderen spielten Federball und ich bekam eine Note dafür, wie lange ich die Hantel halten kann.“
Menschen mit Behinderung im Sport
Auch für Prof. Dr. Rainer Schliermann von der Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften ist die faire Leistungsbeurteilung ein entscheidender Punkt. Hier sind natürlich auch konzeptionelle und didaktische Vorüberlegungen der Lehrpersonen nötig, den Studierenden soll „nichts geschenkt“ werden. „Es geht um die prinzipielle Bereitschaft, auf die jeweilige Person zuzugehen, ihre Möglichkeiten einzuschätzen und individuelle Lösungen für eine gerechte Leistungsbeurteilung zu finden.“ Diese „prinzipielle Offenheit der Lehrenden“ wird auch als wesentlicher Faktor in der aktuellen Inklusions- beziehungsweise Sportdidaktik genannt.
Prof. Dr. Rainer Schliermann kann in diesem Zusammenhang auch auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen. Der stark sehbehinderte Pädagoge und Sportwissenschaftler nahm im Jahr 2000 als Läufer an den Paralympics in Sydney teil. Über 800 und 1.500 Meter sowie mit der 4x400-Meter-Staffel belegte er jeweils den vierten Platz.