Gastvortrag zum Thema „Unmessbares messbar machen“

Wie kann man Projekterfolge messbar zu machen? Dieser Frage ging ein Gastvortrag an der Fakultät Betriebswirtschaft nach, der in die Vorlesung Projekt-Controlling von Prof. Dr. Sabine Jaritz eingebettet war.

Im Sommersemester 2019 konnte Prof. Dr. Sabine Jaritz den Senior-Partner und Managing Director der Boston Consulting Group Dr. Felix Schuler für einen Gastvortrag zum Thema „Unmessbares messbar machen“ gewinnen. Der Gastvortrag war in die Vorlesung „Projekt-Controlling“ im Schwerpunkt Projektmanagement im Studiengang Bachelor Betriebswirtschaft an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) eingebettet.

„Unmessbares messbar machen“ – auf den ersten Blick mag die Aussage wie ein Paradoxon klingen. Die Kernbotschaft von Dr. Schuler lautet, dass man bei jedem Projekt versuchen muss, den Projekterfolg messbar zu machen, sei es mithilfe direkter Kennzahlen oder mittels Indikatoren. Wie dies in der Praxis gelingen kann, hat der Gastreferent an Hand von zwei konkreten Projektbeispielen eindrücklich erläutert.

Projekterfolge sichtbar machen

Das erste Beispiel war ein Projekt für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen: das UN World Food Programme (WFP). Das WFP ist die wichtigste Institution der Vereinten Nationen im Kampf gegen den globalen Hunger. Ein WFP/BCG-Projektteam hat sich hier die Frage gestellt, was für syrische Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien besser ist: Gutscheine, die in Supermärkten des WFP einzulösen sind, oder Bargeld für den Kauf von Lebensmitteln – eine im humanitären Sektor sehr grundsätzliche Frage. 

In Relation zur Gesamtbevölkerung müssen, so Dr. Schuler, die beiden im Projektfokus stehenden Länder sehr viele Flüchtlinge aufnehmen: Im Libanon sind 16 Prozent und in Jordanien sieben Prozent der Bevölkerung Flüchtlinge. Im Vergleich dazu liegt dieser Wert in Deutschland übrigens bei weit unter zwei Prozent. Die Sicherstellung einer ausreichenden und nachhaltigen Ernährung ist somit in diesen Ländern eine große Herausforderung. Bei dem Projekt ging es nicht um Flüchtlinge in Flüchtlingslagern, sondern um Menschen, die auf längere Zeit in Gemeinden im aufnehmenden Land leben.

Studie zur Effizienz mit verschiedenen Kontrollgruppen

In der von Dr. Schuler begleiteten Studie wurde untersucht, welche Art der Bereitstellung von Lebensmittelsicherheit für Flüchtlinge effektiver sei: elektronische Lebensmittelgutscheine oder Bargeld in gleicher Höhe. Dazu wurden über 3.000 Haushalte syrischer WFP-Begünstigter in Jordanien und im Libanon ausgewählt und in drei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt Lebensmittelgutscheine, die andere Gruppe Bargeld an Geldautomaten und die dritte Gruppe hatte die freie Wahl. 

Im Rahmen des neun Monate dauernden Projekts mussten die Familien Haushaltsbücher führen, die dann entlang vieler Kriterien überprüft und ausgewertet wurden, insbesondere auch in Bezug auf die Ernährungssicherheit (gemessen mithilfe des WFP Food Consumption Score) und die Haushaltsdynamik. Darüber hinaus hat das Projektteam zahlreiche Fokusgruppen durchgeführt und Familien vor Ort befragt. Die Ergebnisse der Studie waren eindeutig: Syrische Flüchtlinge in Jordanien und im Libanon, die uneingeschränkt Bargeld erhielten, hatten eine bessere oder zumindest gleiche Ernährungssicherheit als diejenigen, die Lebensmittelgutscheine erhielten.

Quantitative Messung des Projekterfolgs ist hilfreich

Die quantitative Messung des Projekterfolgs in Bezug auf die Ernährungssicherheit hilft humanitären Hilfsorganisationen, wie sie Flüchtlinge in diesem Zusammenhang am besten unterstützen können. Dr. Schuler durfte auch berichten, dass die Projekterkenntnisse jenseits der konkreten Situation in Jordanien und dem Libanon auch bei anderen Krisen, etwa der Rohingya-Flüchtlingskrise in Bangladesch, Berücksichtigung finden.

Auch bei klassischen Kundenprojekten in der Unternehmensberatung spielt die Messung des Projekterfolgs eine zentrale Rolle. Das zweite von Dr. Schuler vorgestellte Projektbeispiel handelte von einem Kostenoptimierungsprojekt für einen Kunden aus der Metallbranche. Im Rahmen dieses Projekts wurden Maßnahmen zur Kostenreduktion identifiziert. Da die Maßnahmen jedoch Zeit brauchen, bis sie wirken und sich in der Gewinn- und Verlustrechnung widerspiegeln, stellt sich die Frage, wie man Verbesserung zeitnah messen kann. Nur abzuwarten und zu hoffen, dass alle Maßnahmen auch entsprechend wirken, ist weder für Kundinnen und Kunden noch für Unternehmensberaterinnen und Unternehmensberater eine Option.

Methode: Systematik der Härtegradmessung

Dr. Schuler stellte den Studierenden hierzu die Systematik der Härtegradmessung vor: Jede Maßnahme bekommt zu jedem Zeitpunkt einen Härtegrad zugeordnet. Härtegrad eins bedeutet, dass eine Maßnahme identifiziert wurde. Eine Maßnahme mit Härtegrad zwei bedeutet, dass zudem auch das Potenzial der Maßnahme quantifiziert wurde. Je höher der Härtegrad einer Maßnahme, desto weiter ist diese in Bezug auf die Umsetzung fortgeschritten.

Den letzten Härtegrad, Härtegrad fünf, erhält eine Maßnahme erst, wenn sich die Einsparungen auch in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) des Unternehmens messen lassen. Das vorgestellte Controlling-Tool schafft somit zu jedem Zeitpunkt des Projekts Transparenz über den Fortschritt von Veränderungen und ermöglicht, bei Bedarf frühzeitig einzugreifen, um das im Vorfeld definierte Projektziel nicht zu gefährden.

Viel positives Feedback seitens der Studierenden

Das gewählte Thema des Gastvortrags und die beiden Projektbeispiele kamen bei allen Studierenden sehr gut an. Ferner schätzten die Studierenden die Erfahrung des Referenten und die Möglichkeit, die Inhalte aus der Perspektive eines Geschäftsführers einer weltweit führenden Top-Management-Beratung vermittelt zu bekommen. So manche Studierenden hat es überrascht, wie natürlich, lebensnah und zugänglich die Themen und Menschen einer Top-Strategieberatung sein können. Der Vortrag mündete in eine lebhafte Diskussion mit kenntnisreichen und reflektierten Fragen, die Dr. Schuler mit Begeisterung beantwortete und dabei an der einen oder anderen Stelle auf die gute alte Tafel zurückgriff.

Die Integration von Gastvorträgen ist ein wichtiger Bestandteil der praxisorientierten Lehre an der OTH Regensburg. Die Studierenden erfahren hierbei, wie das in den Vorlesungen Erlernte in der Praxis umgesetzt und gelebt wird und wie Unternehmen oder Organisationen an Problemstellungen herangehen und diese lösen.

Von links: Prof. Dr. Sabine Jaritz von der Fakultät Betriebswirtschaft der OTH Regensburg mit Gastreferent Dr. Felix Schuler, der Senior-Partner und Managing Director der Boston Consulting Group ist.
Von links: Prof. Dr. Sabine Jaritz von der Fakultät Betriebswirtschaft der OTH Regensburg mit Gastreferent Dr. Felix Schuler, der Senior-Partner und Managing Director der Boston Consulting Group ist. Foto: Anna-Lena Roider