Die österreichische Politikwissenschaftlerin Dr. Stefanie Mayer war am 19. November 2019 an die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) gekommen. Ihr Gastvortrag mit dem Titel „Kampfbegriff Gender – Antifeminismus und rechter Populismus in Europa“ fand im vollbesetzten Hörsaal der Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften statt.
Dr. Stefanie Mayer beschrieb in ihrem Vortrag, wie die wissenschaftliche Forschung der „Gender Studies“ von rechten und (rechts-)konservativen Gruppen instrumentalisiert wird. Kernaussage sei dabei, dass sich der „Gender-Wahn“ gegen die „natürliche Ordnung der Geschlechter“ richte sowie gegen die „einzig wahre Familienform“ zweier heterosexueller Menschen, deren Ziel die Fortpflanzung sei. Unter dem Dach des Antifeminismus versammeln sich dabei europaweit zahlreiche Akteurinnen und Akteure aus rechtspopulistischen Parteien und Organisationen, aber auch einzelne Amtsträger der katholischen Kirche oder themenorientierten Allianzen.
Den Forschenden im Bereich „Gender-Studies“ wird unter anderem „Gleichmacherei“ vorgeworfen. Ziel dieser Forschung sei es, so die Unterstellung, den Unterschied zwischen den Geschlechtern abzuschaffen und die Mehrheit der Frauen davon abzuhalten, ihrer vermeintlichen Bestimmung als Vollzeitmütter zu folgen.
„Sprachpolizei“ und „Tyrannei der political correctness“
Die Vereinigungen, die sich den „Kampf gegen den Gender-Wahn“ auf die Fahnen geschrieben haben, haben oft in anderen Bereichen vollkommen unterschiedliche Positionen. Umso schlimmer ist es, so Dr. Mayer, dass sich mittels einer „Schattendiskussion“ Rechtsextreme, Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten, aber auch moderatere Gruppen unter einem Dach versammeln und beispielsweise gemeinsam den „Wiener Marsch der Familie“ als Gegendemonstration zur Regenbogenparade veranstalten.
Diese Akteurinnen und Akteure wehren sich gegen die vermeintliche „Tyrannei der political correctness“, der ein „gesunder Menschenverstand“ entgegengesetzt werden müsse. Symbol ist hier unter anderem die geschlechtergerechte Sprache, die von einer „Sprachpolizei“ durchgesetzt werde. „Eine ausschließlich männliche Sprache ist ungenau und schlicht und einfach falsch“, betonte Dr. Stefanie Mayer. Es gehe auch darum, gesellschaftliche Strukturen sichtbar zu machen. „Welches Bild haben Sie vor Augen, wenn ich Ihnen sage: ‚Stellen Sie sich einen Menschen vor‘?“, fragte die Referentin die Anwesenden.
Das Geschlecht als „Platzanweiser“
„Wir alle wünschen uns eine Gesellschaft, in der das Geschlecht nicht Platzanweiser ist“, sagte Dr. Stefanie Mayer. Bis dahin sei es aber noch ein weiter Weg. Entgegen der Polemik von rechts ist die „Verweiblichung“ (und damit auch die unterstellte „Verweichlichung“) der Gesellschaft weder ein Fakt noch ein Ziel der Forschenden im Bereich der Geschlechterforschung. „Wir Forscherinnen und Forscher dürfen nicht von vornherein in eine Verteidigungshaltung gehen“, so die Referentin. Der wissenschaftliche Diskurs, der im Gegensatz zum biologischen Geschlecht das Geschlecht als soziales Geschlecht („Gender“) beschreibt, muss sachlich und in verständlicher Sprache geführt werden.
Am Beispiel der prophezeiten Übernahme der Hochschulen durch die Gender Studies machte Dr. Mayer das Konzept der politischen Inszenierung deutlich. Sie betonte, dass „in Deutschland lediglich 0,4 Prozent der Professuren das Berufungsgebiet Geschlechterforschung haben“. Wichtig sei es aber, die Erkenntnisse der Gender Studies sichtbarer und verständlicher zu machen und an den Alltagserfahrungen vieler Menschen anzudocken. So ist die Lohnungleichheit der Geschlechter und die ungleiche Aufteilung der Reproduktionsarbeit eine Tatsache, die breite Bevölkerungsschichten betrifft.
Zwei Männer auf einer Reise durch einen Kontinent der Ungleichheit
Die Veranstaltungsreihe „Das Geschlecht der Europa – Europäische Integration und Geschlechtergerechtigkeit" ist eine Kooperation der Hochschulfrauenbeauftragten, der Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften und der Servicestelle Gender und Diversity. Die Reihe beschäftigt sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Themen, Bewegungen und Gegenbewegungen zur europäischen Frauen- und Gleichstellungspolitik.
Stellvertretend für die Kooperationspartnerinnen bedankte sich die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Clarissa Rudolph bei der Referentin. Die Vortragsreihe wird mit dem Vortrag „Feminismus in Europa - Zwei Männer auf einer Reise durch einen Kontinent der Ungleichheit“ am 7. Januar 2020 fortgesetzt.