An der OTH Regensburg lehren Sie seit 2001 Controlling als Schwerpunkt innerhalb des BWL-Studiums. Wie hat sich das Fach seither inhaltlich gewandelt?
Prof. Dr. Seidel: Bereits in der Vergangenheit hatten wir schon immer viel Wert auf anwendungsorientierte Lehre mit Fallstudien, Praxisbezug, Referentinnen und Referenten aus Unternehmen gelegt. Der IT-Anteil hat sich allerdings nicht nur im Studienschwerpunkt Rechnungswesen & Controlling, sondern im gesamten Bachelor und Master erhöht.
Im 4./5. Semester des Bachelorstudiengangs gibt es das Fach „Prozessmanagement“ (4 SWS), da geht es im Wesentlichen um SAP-Prozesse, von der Beschaffung bis hin zur Kalkulation. Im Studienschwerpunkt „Rechnungswesen und Controlling“ haben die Studierenden vor ihrem Praktikum die Blockveranstaltung „Excel im Controlling“ (2 SWS). Wir sehen das als sehr wichtig an, denn wenn die Studierenden zu einem Unternehmen kommen, arbeiten sie nicht gleich an einem SAP- oder Business- Intelligence-System. Ganz viel im Controlling passiert nach wie vor mit Excel. Nach dem Praktikum gibt es dann noch eine Excel-Vertiefung sowie die Vorlesung „SAP CO für Controller“ (4 SWS).
Im Master „Finance, Accounting, Controlling and Taxation (FACT)“ haben wir neben zahlreichen fachlichen Vertiefungen im Controlling ein weiteres IT-Fach „Business Intelligence für Controller“ (2 SWS) platziert. Nach der anstehenden Reform der „Studien- und Prüfungsordnung“ werden uns – in enger Abstimmung mit den Studierenden, die in Evaluierungen dieses Thema häufig als besonders wichtig angegeben haben – in dieser Vorlesung zwei weitere Semesterwochenstunden zur Verfügung stehen.
Häufig wird der Controller als „Herr der Zahlen“ umschrieben. Wie sieht es mit den „Frauen der Zahlen“ aus: Welchen Anteil machen bei Ihnen die Studentinnen im Controlling aus?
Prof. Dr. Seidel: Der Anteil der Studentinnen im Studienschwerpunkt Rechnungswesen & Controlling (und auch im Master FACT) ist gleichbleibend hoch: mehr als 50 Prozent.
In einem Interview haben Sie gesagt: „Es gibt zu viele introvertierte Controller“. Was tut die Controller-Ausbildung an der OTH Regensburg dagegen?
Prof. Dr. Seidel: Früher reichte es aus, wenn man als Controller „Herr der Zahlen“ war, Augenhöhe zwischen Manager und Controller war damals nicht erforderlich. Um wirkungsvolle Führungsunterstützung leisten zu können, müssen Controller und Manager proaktiv auf Augenhöhe agieren. Fach- und IT-Kenntnisse reichen dafür alleine nicht aus, der Controller muss bereit sein, seine „geliebte Zahlenwelt“ zu verlassen, um vom Manager als betriebswirtschaftlicher Begleiter ernst genommen zu werden.
Die Anforderungen an den Controller wachsen mit seinen neuen Aufgaben: Kommunikationsfähigkeit, „Psycho“- Logik (Verhaltenskenntnis) und Rückgrat sind ebenso wichtig wie Instrumentenkenntnis. Wichtig ist das Verständnis dieser sich wandelnden Controller-Rolle bei den Studierenden – das ist natürlich auch Bestandteil unserer Lehre. Unsere Vorlesungen sind bewusst interaktiv ausgelegt – fachliche Diskussionen, Präsentationen der Ergebnisse von Gruppenarbeiten und Studienarbeiten sind an der Tagesordnung. Soft Skill-Fächer stehen ohnehin im allgemeinen Angebot des B.A.- und M.A.-Studiengangs – sie müssen nur wahrgenommen werden. Im Master besteht zudem das Angebot, an einer Studienfahrt zum jährlichen Controller Congress nach München teilzunehmen, um dort in der „Controller’s Community“ Kontakte knüpfen zu können und „sichtbar“ zu werden.
Sie haben jüngst einen Arbeitskreis Oberpfalz für den Internationalen Controller Verein e.V. mitbegründet. Ist dieses Netzwerk auch für Studierende offen? Falls ja, wie können sich Studierende dort einbringen beziehungsweise beteiligen?
Prof. Dr. Seidel: Selbstverständlich ist der Internationale Controllerverein (ICV) – auch für Studierende offen und zwar zu ganz besonders günstigen Konditionen: Mitglieder unter 30 Jahren zahlen einen ermäßigten Jahresbeitrag von 75 Euro. Die Studierenden würden von den Angeboten wie jedes vollzahlende Mitglied profitieren: Nationale und internationale Erfahrungsaustausche mit Controllern, Führungskräften in dem mit rund 6.500 Mitgliedern anerkannt größten Netzwerk in Europa. Als persönliches Mitglied können die Studierenden kostenlos an den Sitzungen der regionalen Arbeitskreise und damit auch an den Tagungen des AK Oberpfalz teilnehmen. Die Studierenden erhalten kostenlos die jährlich erscheinenden sechs Ausgaben des CONTROLLER MAGAZINS, der in Deutschland auflagenstärksten Fachzeitschrift für Controlling, und jährlich sechs Ausgaben von FINANCE. Sie erhalten zudem Rabatte bei kostenpflichtigen Veranstaltungen und Publikationen und exklusive Informationen in Form der sogenannten Controller-Statement.
Wie sieht es mit den Berufsperspektiven für Controller in unserer Region aus?
Prof. Dr. Seidel: Die Favoriten bei unseren Studierenden für einen „Jobeinstieg“ sind klassische Produktions- und Handelsunternehmen. Davon profitieren die Unternehmen in der Region, denn unsere Absolventinnen und Absolventen haben nicht zwingend die Notwendigkeit wegzugehen. Häufig wollen sie das auch zunächst gar nicht und bleiben lieber in der Region tätig. Wir sind durchaus verwöhnt vom Wirtschaftserfolg der Region Regensburg respektive der Region Ostbayern.
Die Studierenden zieht es weniger in Richtung Unternehmensberatung oder Softwarehersteller – obwohl dort exzellente Karrierechancen bestehen. Da muss allerdings eine gewisse Bereitschaft zu Reisen und Überstunden gegeben sein. Bei der Work-Life-Balance gehört die IT-Beratung nicht zu den Arbeitgebern, die besonders „sexy“ erscheinen.