Der Brexit kommt nach Regensburg

Praxisnah lernen. Studierende des Masterstudiengangs Europäische Betriebswirtschaft simulierten ein realitätsnahes Brexit-Szenario in einem freien Planspiel. Komplexe Herausforderungen inklusive.

Lange schien der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union noch abzuwenden, doch am 31. Januar 2020 wurde der Brexit nach dreieinhalb Jahren zäher Verhandlungen tatsächlich Wirklichkeit. Keine gute Nachricht für die Europäische Union, aber ein interessantes Thema für die Studierenden des Masterstudiengangs Europäische Betriebswirtschaft an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg), die sich in ihrem Studium auf Fach- und Führungsverantwortung in europäischen Unternehmen vorbereiten.

Realitätsnahes Szenario des Brexit im Planspiel

Unter der akademischen Leitung von Prof. Nina Leffers und Florian Reusner waren die Studierenden in einem sogenannten freien Planspiel vor die Aufgabe gestellt, sich mit der Komplexität internationaler Beziehungen und den praktischen Konsequenzen des Brexits zu beschäftigen. Hierzu wurde in Zusammenarbeit mit ConsCe, einem Verbund internationaler Studierender und Selbstständiger, die Simulationen und Planspiele aufbauen, ein realitätsnahes Szenario entwickelt. 

Im gewählten Brexit-Szenario wurden die Studierenden in die Situation spanischer und griechischer Olivenölproduktionen versetzt, die eine Expansion in den britischen Markt planen und eine große britische Handelskette als Kunden gewinnen möchten. Dabei stießen sie verständlicherweise auf vielfältige Herausforderungen im Kontext von Wettbewerb, Marktregelungen und besonders auf die unklaren Bedingungen des Brexit selbst. 

Die Studierenden mussten sich in einem intensiven Seminar eine Strategie für ihr Unternehmen überlegen, um ihr Olivenöl richtig im britischen Markt zu positionieren. Neben intensiver Recherche und dem Einsatz von Analysetechniken galt es, das komplexe Umfeld in einem klassischen Strategieprozess zu bewerten und vor allem schnell auf sich dynamisch ändernde Gegebenheiten zu reagieren.

Intensives Lehrformat mit verschiedenen Herausforderungen

Die realitätsnahe dynamische Veränderung der Rahmenbedingungen, etwa durch den plötzlichen Markteintritt einer preisaggressiven Wettbewerbsfirma, trug zur Attraktivität und Intensität dieses Lehrformats bei. Neben der Fähigkeit, sich im Team zu organisieren, gezielt zu kommunizieren, verfügbare Daten zu bewerten und Entscheidungen zu treffen, gehört geschicktes Verhandeln mit unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren zu den Lernzielen der Veranstaltung. 

Verhandlungen mit der Konkurrenz, dem Kartellamt sowie den potenziellen Kundinnen und Kunden, die in Form von Videokonferenzen mit dem Team von ConsCe an unterschiedlichen Standorten in Europa stattfanden, waren eine echte Herausforderung. Die Rollenspielerinnen und -spieler, die Vertreterinnen und Vertreter von Banken oder der EU spielten, nahmen ihre Aufgabe sehr ernst und verlangten ihren studentischen Verhandlungspartnerinnen und -partnern hohe Professionalität ab. 

Eine Teilnehmerin berichtete, dass gerade der Anfang des Seminars und der Teamarbeit anstrengend und durchaus etwas holprig war. „Es dauerte eine Weile, bis wir uns in das Thema eingefunden haben, die Teamarbeit gut strukturieren und relevante Informationen filtern konnten. Gute Vorbereitung unter hohem Zeitdruck war wichtig, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, in eine Verhandlung gehen zu können und ernst genommen zu werden.“ 

Planspiel als wertvoller Teil der Ausbildung

Trotz intensiver Vorbereitung und Planung gab es auch Frustrationserlebnisse und unerwartete Wendungen. Im Zuge der Verhandlungen musste ein Team den Rückzug vom englischen Markt antreten, um nicht von der Konkurrenz übernommen zu werden. Dennoch lobten die Teilnehmenden, dass das Planspiel hilfreich für sie persönlich und ein wertvoller Bestandteil der Ausbildung war. 

Realitätsnah mit einer Situation umzugehen und sich in der Interaktion mit „echten Verhandlungspartnern“ auf Neues und Unvorhersehbares vorzubereiten, war eine wertvolle Erfahrung. Die Teilnehmenden wünschten sich weitere Veranstaltungen dieser Art in ihrem Lehrplan. Das freie Planspiel wurde durch die theoretische Beschäftigung mit unterschiedlichen Themenstellungen in verschiedenen Politikbereichen der Europäischen Union ergänzt.

Gute Möglichkeit für Methodentransfer zwischen Fakultäten

Der Einsatz des erfahrungsbasierten Lernens in Form eines freien Planspiels machte zugleich den Methodentransfer aus der Fakultät Angewandte Natur- und Kulturwissenschaften in die Fakultät Betriebswirtschaft möglich. Der konzeptionelle Rahmen des Brexit-Planspiels und die genutzten Kontakte beruhen auf der langjährigen Vorarbeit von Prof. Dr. Markus Bresinsky, der mit den GLOBE-Planspielen an der Fakultät Angewandte Natur- und Kulturwissenschaften ein hoch attraktives Lehrformat entwickelt hat.

Im Rahmen eines Planspiels rund um den Brexit konnten Studierende der OTH Regensburg jede Menge lernen. Hier ein Team bei Verhandlungen per Videokonferenz.
Im Rahmen eines Planspiels rund um den Brexit konnten Studierende der OTH Regensburg jede Menge lernen. Hier ein Team bei Verhandlungen per Videokonferenz.
Das „Team Griechenland“ sollte sich im Rahmen des Planspiels in griechische Olivenölproduzierende versetzen, die sich am britischen Markt behaupten wollten. Hier das Team bei der Vorbereitung.
Das „Team Griechenland“ sollte sich im Rahmen des Planspiels in griechische Olivenölproduzierende versetzen, die sich am britischen Markt behaupten wollten. Hier das Team bei der Vorbereitung. Fotos: Florian Reusner