Prof. Dr. Andrea Pfingsten von der OTH Regensburg wurde kürzlich eingeladen, ihre neuesten Forschungsergebnisse auf dem World Physiotherapy Congress (WPC) in Tokio (Japan) zu präsentieren. In Zusammenarbeit mit den Laboren für Physiotherapie und Biomechanik des Regensburg Center of Health Sciences and Technology war Prof. Dr. Pfingsten an der Erforschung einer datenbasierten Übungsauswahl in der Knie-Rehabilitation beteiligt.
Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels und einer alternden Bevölkerung werden datenbasierte Entscheidungsprozesse immer bedeutender, um die effiziente Auswahl von Übungen zu unterstützen. Eine zentrale Größe stellt dabei wahrscheinlich die Gelenkreaktionskraft (Joint Reaction Force, JRF) dar, die als Schlüsselparameter dienen kann.
Für die Untersuchung wurden bei 30 gesunden Probandinnen und Probanden die kinematischen und kinetischen Daten von 20 Knieübungen erfasst. Die technische Basis bildete ein markerloses Motion-Capture-System mit acht Kameras, mit Kraftmessplatten und Lastzellen ausgestattete Stühle und Treppen. Die gesammelten Daten flossen in ein Ganzkörper-Modell ein, mithilfe dessen Gelenkwinkel, Winkelgeschwindigkeiten, Muskelaktivität und insbesondere die Gelenkreaktionskräfte berechnet wurden. In ihrem Vortrag verglich Prof. Pfingsten die resultierenden Spitzenbelastungen am Beispiel von drei Übungsgruppen (Einbeinstand, Sit-to-Stand, Treppensteigen): Einbeinstandsaufgaben erzeugen je nach Progression das 2,5- bis 2,9-fache, Sit-to-Stand-Bewegungen das 2,8- bis 4,2-fache und Treppenaktivitäten das 4,8-fache des Körpergewichts. Eine statistische Analyse mittels Welch’s ANOVA bestätigte die zunehmende Belastung mit steigendem Schwierigkeitsgrad mit Ausnahme der Treppenaktivitäten. Wahrscheinlich haben die gesunden Probandinnen und Probanden bei der unterstützten Variante kaum Gewicht auf das Geländer übertragen.
Im Rahmen des übergeordneten Projekts „MyReha-digital” soll auf datenbasierter Grundlage ein patientenzentriertes Rehabilitationssystem für Patientinnen und Patienten mit Knieendoprothesen entstehen. Ein Sensorsystem erfasst kinematische Parameter während der Übungen, eine Smartphone-App übermittelt die Informationen an einen Backend-Server und Algorithmen ermitteln langfristig aus den Daten optimierte Übungsfolgen. Das Ziel besteht in einem biofeedbackgestützten, ortsunabhängigen Training, bei dem die Individualisierung der Therapie künftig auf fundierten Daten basiert.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und in Kooperation mit den Medizinprodukte-Herstellern Oped, Linova und Interactive Wear sowie der auf Kniechirurgie spezialisierten Klinik der Barmherzigen Brüder in Regensburg durchgeführt.