Irgendjemand muss den Anfang machen - alle, die danach kommen, tun sich leichter. Und um diesen Anfang attraktiver zu gestalten, überreichte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger am 16. Mai 2025 einen Förderbescheid über rund 800.000 Euro an die OTH Regensburg und die OmniCert Umweltgutachter GmbH aus Bad Abbach. Dabei betont der Wirtschaftsminister: „Wer Prozesse digitalisiert, spart Zeit, entlastet die Mitarbeiter und wird wettbewerbsfähiger. Genau da setzt das Projekt BAICert an. Es zeigt, wie digitale Technologien in der Praxis sinnvoll eingesetzt werden können. Das bringt einen Vorteil für Unternehmen, Verwaltung und ganze Branchen.“
Unter dem Namen BAICert - Bavarian Artificial Intelligence in Certification Processes werden die OTH Regensburg und OmniCert in den kommenden drei Jahren gemeinsam forschen und entwickeln. Ziel ist, bisher manuelle und bürokratische Prüf- und Verwaltungsprozesse deutlich effizienter zu gestalten. Dabei sollen insbesondere Zertifizierungsunternehmen und Behörden beim Auslesen und Prüfen von Dokumenten unterstützt werden, Sachbearbeiter in ihrer Arbeit entlastet und Kunden ein einfacher Zugang zu Informationen ermöglicht werden – alles basierend auf automatisierten Algorithmen und Künstlicher Intelligenz. „Die Firma OmniCert bringt dafür nicht nur viel Fachwissen mit, sondern auch einen engen Bezug zur Land- und Forstwirtschaft – einem Bereich, in dem digitale Lösungen bislang kaum eingesetzt werden. Durch die Nähe zur Praxis kann das Projekt dazu beitragen, den Zugang zu digitalen Anwendungen zu erleichtern und deren Nutzen greifbarer zu machen“, erläutert der Wirtschaftsminister die Hintergründe für die Förderung durch den Freistaat Bayern.
Warum investiert eine Umweltgutachterorganisation wie die OmniCert knapp eine Million Euro in die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI), wenn dies nicht ihr primäres Tagesgeschäft ist? „Wir wollen beim KI-Einsatz nicht auf bestehende Anbieter zurückgreifen, da deren Lösungen in der Regel nicht unseren hohen Datenschutzanforderungen entsprechen“, erklärt IT-Spezialist und Projektleiter der OmniCert Christoph Reithmair. „Zudem sehen wir es als zwingend notwendig an, dass sich Deutschland beim Thema KI nicht von ausländischen Lösungen abhängig machen darf.“
Für Geschäftsführer und Gründer Thorsten Grantner ist zudem klar: „KI wird unsere Arbeitswelt verändern. So kontrovers die Diskussionen über die Zukunft von KI sein mögen, alle Experten sind sich einig, dass KI wichtiges Arbeitsmittel der Zukunft sein wird. KI kann und wird Routinearbeiten übernehmen und genau das ist der Ansatz, den wir verfolgen. Wir möchten, dass alle Expertinnen und Experten stärker inhaltlich arbeiten, denn dafür sind sie ausgebildet und das können sie gut. Bisher müssen wir viel Arbeitszeit für das Übertragen von Daten aus einem Dokument in ein anderes, für die Ablage von Nachweisen oder das Überprüfen auf Vollständigkeit der Unterlagen verwenden. Das können wir zukünftig verstärkt intelligente Programme erledigen lassen.“
Wie der OmniCert geht es vielen Unternehmen der prüfenden Berufe, also z.B. Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern, aber auch Behörden und anderen Branchen. Damit langfristig weite Teile des bayerischen Mittelstandes profitieren, soll die von der OTH Regensburg und OmniCert entwickelte KI-Lösung nach Projektabschluss als Open Source-Modell der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Andere Firmen und Behörden können dann die Basis der KI nutzen und für ihre Bedürfnisse weiterentwickeln.
Mit dem Regensburg Center for Artificial Intelligence (RCAI) an der OTH Regensburg arbeitet die OmniCert seit der Teilnahme am Förderprogramm KI Transfer Plus des Freistaates Bayern erfolgreich zusammen. Der nächste Schritt der Zusammenarbeit ist das Projekt BAICert. Das RCAI hat eine eigene Doktorandenstelle am Labor für Imaging and Data Science (IMDS) geschaffen, um das Projekt wissenschaftlich zu begleiten und die neuesten Forschungsergebnisse einfließen lassen zu können.
Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Frikel hat die Projektleitung auf Seiten der OTH Regensburg inne: „Forschung an und mit KI ist hochgradig spannend und komplex. Häufig wird sie von praktischen Problemstellungen inspiriert – denn um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, braucht die Wissenschaft reale Anwendungsfälle. Gleichzeitig ist es entscheidend, den Transfer in die Praxis sicherzustellen“, erklärt er die Motivation für die Zusammenarbeit. Unternehmen wie die OmniCert böten hierfür ein ideales Testfeld: Sie verfügen über eine über Jahre erarbeitete digitale Datenbasis, digitalisierte Prozesse und einen ausgeprägten Innovationswillen. Seit mehr als einem Jahrzehnt digitalisiertOmniCert sämtliche Dokumente und erstellt ihre Arbeitsergebnisse in einer eigenen Software, die bereits in Teilen mit Automatisierung arbeitet – eine wertvolle Grundlage für den Einsatz und die Weiterentwicklung von KI.
Grundsätzlich käme als Testfeld auch eine Behörde infrage. Allerdings stellt sich dort häufig das Problem, dass viele Arbeitsschritte weiterhin analog ablaufen – und ohne digitale Prozesse und große Datenmengen kann KI nicht sinnvoll agieren.
Bei der Programmierung und Integration des KI-Algorithmus in das laufende Geschäft wird das Projekt durch die Selbstdenker AG aus Regensburg unterstützt. Die Selbstdenker entwickelten vor 13 Jahren eine individuelle Businesssoftware für die OmniCert, über die mittlerweile sämtliche für das Unternehmen wichtigen Prozesse abgebildet werden. Sie kennen die Knotenpunkte im System, an denen KI ansetzen bzw. weiterarbeiten muss. Vorstand Stephan Fürnrohr und sein Team sind Feuer und Flamme für das neue Projekt: „Je höher die Messlatte, desto größer ist unsere Begeisterung für das Projekt. Teil einer Kooperation zu sein, in der Wissenschaft und reale Umsetzung so eng miteinander verknüpft sind, lässt jedes Entwickler-Herz höher schlagen.“ Ein weiterer wichtiger Grund für die Zusammenarbeit: Alle Kundendaten sowie die Entwicklung der KI selbst werden auf regionalen Servern unter strengen Datenschutzkriterien gespeichert.
Mit dem Bayerischen Verbundforschungsprogramm Digitalisierung (BayVFP) fördert der Freistaat Bayern „vorwettbewerbliches“ (https://www.foerderdatenbank.de/) Forschungsund Entwicklungsvorhaben von Unternehmen und deren Partner, z.B. wissenschaftliche Institutionen.